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Beate Reinfurt erhielt Sonderpreis des bayerischen psychiatrischen Pflegepreises

„Was haben wir Sie alle vermisst“, begrüßte der Leiter des Bildungswerks des Bayerischen Bezirketags, Dr. Stefan Raueiser, die anwesenden Gäste zur feierlichen Verleihung des Bayerischen Psychiatrischen Pflegepreises in Kloster Irsee. Zum zehnten Mal wurde der durch den Verband der Pflegedienstleitungen psychiatrischer Kliniken Bayern (VdP Psych Bayern e.V.) ausgelobte Preis verliehen. Die Festveranstaltung musste Corona-bedingt mehrfach verschoben werden.

VdP-Vorsitzender Hans-Peter Hartl, stv. Pflegedirektor am Bezirksklinikum Mainkofen, hob die Bedeutung des seit 2001 verliehenen Preises hervor: „Mit ihm werden Personen und Gruppen ausgezeichnet, die sich durch Projekte oder Veränderungen von Strukturen im pflegerischen Alltag psychiatrischer Einrichtungen in besonderem Maße verdient gemacht haben“. Die Verleihung des Psychiatrischen Pflegepreises im festlichen Rahmen des ehemaligen Kapitelsaals von Kloster Irsee trage zudem zu einer öffentlich wahrnehmbaren Wertschätzung der Pflege bei.

Die Jury wählte aus 16 eingesandten Arbeiten drei Preisträgerinnen und Preisträger aus. Aufgrund der hohen Qualität der eingereichten Arbeiten sprach sich die Jury zusätzlich für einen Sonderpreis aus, der durch den Landesverband Psychiatrie Erfahrener Bayern e.V. finanziert wurde. Vergeben wurde dieser an Beate Reinfurt für ihr Projekt „Ein Herz für wunde Seelen – Ein Therapieangebot im Rahmen der Aromapflege“ im Bezirkskrankenhaus Lohr am Main.

Beate Reinfurt Sonderpreis

Foto: Martin Zurek; © Bildungswerk Irsee

v.l. Pflegedirektorin des Bezirkskrankenhauses Lohr am Main Marianne Schaffarczik, Preisträgerin des Sonderpreises Beate Reinfurt (Fachkrankenschwester für Psychiatrie und seit 1998 auf Station 5 unten im BKH Lohr), ihre Stationsleitung Ingrid Mehler sowie Martina Heland-Gräf Vorsitzende des Landesverbands Psychiatrie-Erfahrene Bayern e.V.

Frau Reinfurt arbeitet auf der Station 5 unten, der beschützenden Aufnahmestation für Frauen. Für viele Frauen in persönlichen Notsituationen und psychischer Erkrankung oft der letzte Ausweg. Mit ihrem Projekt „Ein Herz für wunde Seelen“ hat sie das Ziel, bereits beim Erstkontakt mit den Patientinnen Vertrauen und Sicherheit zu vermitteln und während ihres Aufenthaltes auf Station ihre Krisenbewältigungsfähigkeiten und ihr allgemeines Wohlbefinden zu fördern.

Ganz im Zeichen des Klinikmottos „Professionalität mit Herz“ werden im Bezirkskrankenhaus Lohr in den letzten Jahren zunehmend ergänzende Methoden zu den üblichen Behandlungspfaden eingesetzt, um die PatientInnen auf dem Weg zu ihrer Gesundung zu begleiten und zu unterstützen. Wertschätzung, Respekt, Toleranz und Achtung stehen bei der Behandlung dabei stets im Vordergrund. Entspannungstraining, Aromapflege und Akupunktur etc. durch geschulte Mitarbeitende sind dabei durchgängig etabliert.

Im Jahre 2016 initiierte die Pflegedirektorin Marianne Schaffarczik Schulungen interessierter Pflegepersonen aller Bereiche der psychiatrischen Versorgung des Hauses im Fachgebiet der Aromapflege durch eine zertifizierte Aromapflegeexpertin. Damit die Aromapflege erfolgreich und nachhaltig auf Station 5 unten umgesetzt werden konnte, verfasste Frau Reinfurt ein Konzept mit Beschreibung der notwendigen Anforderungen und Voraussetzungen. Ziel war dabei, dass die Aromapflege für alle Pflegenden gut anzuwenden ist, dass sämtliche notwendige Informationen schnell eingeholt werden können und die jeweilige Anwendungsart jederzeit wiederholt werden kann. Eine Liste mit Mischungen und Rezepturen für die speziellen Wirkungsweisen auf psychische oder körperliche Probleme, verbunden mit den entsprechenden Warnhinweisen, rundeten die dabei erstellte Aromapflegemappe ab. Da das Angebot der Aromaöle fast unüberschaubar groß ist, beschränkte sich Frau Reinfurt bei der Auswahl auf wenige klassische Öle wie zum Beispiel Lavendel, Grapefruit, Rosmarin, Pfefferminze und Cajeput.

Frau Reinfurt´s Projekt besteht dabei aus drei Elementen, die sie an die Bedürfnisse der Station angepasst hat. Zum einen bekommt jede neue Patientin ein Aromaherz zu Beginn ihres Aufenthaltes, welche individuell von den Patientinnen beduften werden können. Zum anderen werden regelmäßige, gemeinschaftliche Sitzungen an der Duftinsel angeboten. Das dritte Element besteht aus einem Schaukasten im Aufenthaltsbereich der Station, der die Patientinnen zusätzlich über das Konzept der Aromatherapie und ihre Anwendungsgebiete informiert. Dieser wird von den Patientinnen mit großem Interesse angenommen. Es zeigte sich im Verlauf des Projektes, dass sie nun vermehrt mit Fragen dazu auf die Pflegefachpersonen zukommen. Dadurch können die beiden Hauptelemente Aromaherz und Duftinsel nochmals gezielt als therapeutisches komplementäres Angebot vorgestellt, besprochen und erläutert werden.

„Die Aromatherapie auf Station in Verbindung mit den handgefertigten Duftherzen wird sehr gut angenommen. Sicher wurde dadurch die eine oder andere Bedarfsmedizin als nicht mehr notwendig erachtet. Als wichtigen Aspekt sehe ich aber noch einen weiteren Punkt erwähnenswert: Es gibt immer wieder Patientinnen, denen es nicht so leichtfällt, mit dem Pflegepersonal in Kontakt zu treten. Die angebotene Aromatherapie und die Herzen bieten immer wieder Gesprächsstoff und oft entwickelt sich ein persönliches Gespräch, bei dem sich die Patientinnen leichter öffnen können.“ so Ingrid Mehler, Stationsleitung von 5 unten über das Projekt von Frau Reinfurt.

Wie funktioniert das mit den Aroma-Herzchen?

Die Patientinnen, ihr Einverständnis vorausgesetzt, erhalten ein duftölgetränktes Aromaherzchen mit dem Vorschlag, sich dieses für ca. 20 tiefe Atemzüge vor die Nase zu halten und sich auf den Duft zu konzentrieren. Sie erleben in diesem Moment ganz besonders, dass sie in ihren Problemen und Bedürfnissen erstgenommen werden, sie erfahren tröstliche Zuwendung und persönliche Zu Geneigtheit durch die Anwenderinnen. Diese Erfahrung zu implementieren, war vor dem Projekt im hektischen Stationsalltag oft nur schwer möglich.

Die Überraschung dabei zu Beginn des Einsatzes von Aromaherzen entstand aber auf beiden Seiten. Zur Wirkung der Aromaöle kam nun noch eine deeskalierende und vertrauensschaffende Situation hinzu. Das wattegefüllte Herzchen ist warm und weich, die Form, die Überreichung des Herzens und der Duft implizieren eine empathische Herzlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes. Die Pflegekräfte griffen immer mehr gezielt zur Aromatherapie, versuchten sich auch in neuen Ideen und Ansätzen innerhalb der von Frau Reinfurt vorgegebenen Richtlinien.

In den letzten zwei Jahren hat sich dieses Angebot so gut auf Station etabliert, dass pro Monat bis zu 50 Herzen an die Patientinnen ausgegeben werden. Die Herzen sind sehr individuell gestaltet, mit unterschiedlichen Farbmustern, Stoffen und auch saisonalen Designs. Die hohe Anzahl an benötigten Herzen wird dabei einerseits von Frau Reinfurt privat Zuhause hergestellt, zum anderen aber auch in Zusammenarbeit mit den Patientinnen auf Station. Hierfür schneidet und näht sie in ihrer Freizeit die Herzformen aus (ca. 2h für ca. 50 Herzen pro Monat), welche dann auf Station gefüllt werden können. Das gemeinsame Füllen der Herzen in einer Gruppe mit Pflegepersonen und anderen Patientinnen ermöglicht zusätzlich, die soziale Beziehungsfähigkeit der Patientinnen zu fördern, neue Bindungen aufzubauen, gesellschaftliche Kompetenz zu erlernen und persönliche Bedürfnisse zu äußern.

„Ich bin begeistert, dass unsere Mitarbeiterin Frau Reinfurt ein so tolles Projekt initiiert und stetig weiterentwickelt hat. Besonders freut mich ihre Eigeninitiative und die Bereitschaft auch ihre private Zeit zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Engagement war es sicherlich nicht schwer, die Jury des 10. Bayerischen Psychiatrischen Pflegepreises zu überzeugen.“ so die Pflegedirektorin des Bezirkskrankenhauses, Marianne Schaffarczik. Dies brachte Frau Heland-Graef in ihrer Laudatio wunderbar zum Ausdruck, als sie ausführte: „Stellen sie sich vor, dass sie fremd sind, sich nicht gut fühlen und dann kommt ein freundlicher Mensch auf sie zu und drückt ihnen ein Herz in die Hand, an dem sie sich festhalten können.“

„Diese Preisverleihung wird für unsere pflegerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein weiterer Ansporn sein.“ sagte Marianne Schaffarczik.

Erwähnenswert ist, dass Pflegepersonen des BKH Lohr bei den 10 Bayerischen Pflegepreisverleihungen 5 Mal unter den Preisträgern waren.

Ansprechpartner:
Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit
Lisa Hörnig & Inge Schönmann
Am Sommerberg 21
Tel: 09352 503-20051 / -20052