„Es kommt auf die Ruhe an“ Patienten des BKH betreuen ein Bienenvolk
Ein wuseliges Treiben herrscht am Bienenstand, der seit zwei Jahren auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses, auf der Grünfläche hinter dem Haus 16, steht. Heute wird das aus etwa 25.000 Bienen bestehende Volk allerdings bei seinem Tagwerk gestört. Der erste Honig des Jahres wird geerntet und geschleudert – von Patienten des BKH. Drei Patienten haben sich mit dem Betreuer des Projektes Markus Riedmann, der selber leidenschaftlicher Imker ist, eingefunden. Der Smoker, ein Gerät dessen Rauch die Bienen beruhigt, wird gestartet. Mit langsamen und ruhigen Bewegungen öffnet Riedmann den Deckel des Bienenstocks und reicht Jens Drexel eine Wabe. Mit einem weichen Besen kehrt der Patient die verbliebenen Bienen herunter. Eine Verunsicherung ist dem jungen Mann, der das Projekt seit dem Frühjahr in seiner Freizeit begleitet, nicht anzumerken. Gestochen wurde er noch nie, teilt er mit. Just in diesem Moment bekommt allerdings ein anderer teilnehmender Patient einen Stich an der Hand ab. Der Stichheiler, dessen keramische Kontaktfläche durch Hitze das Gift in Eiweißzellen umwandelt, liegt bereit. Schutzanzüge möchte niemand tragen. „Wer Ruhe ausstrahlt und umsichtig handelt, wird auch nicht angegriffen“ erklärt Riedmann.
Ein interessantes Projekt hat der Stationsleiter der Entlass- Station der Forensischen Klinik (F7) für die Patienten ins Leben gerufen. Die ganze Bienensaison über betreuen Patienten mit ihm den Bienenstock. Pro Woche trifft sich die Gruppe für etwa eine Stunde, je nachdem wie viel Arbeit anfällt. „Die Arbeit hält sich in Grenzen“ erklärt Riedmann. Auch das Ziehen einer eigenen Königin wird den Patienten beigebracht. Riedmann möchte die Grundinformationen vermitteln, die ein eigenes Halten von Bienen ermöglicht. Ein ehemaliger Patient habe bereits mit der Imkerei begonnen, freut sich der Stationsleiter.
Die Imkerei am Sommerberg, die auch zu einem Ertrag von etwa 30 Kilo Honig im Jahr führt, wird von der Klinikleitung unterstützt. Diese hat die Kostenübernahme der notwendigen Geräte übernommen. Der Honig wird bei öffentlichen Veranstaltungen des BKH verkauft und gerne als Geschenk bei politischen Besuchen überreicht. Zudem dürfen natürlich die Teilnehmer ihren Honigbedarf decken.
Auch den therapeutischen Nutzen möchte Riedmann hervorheben: den verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Tier erlernen, die Förderung des Selbstbewusstsein durch das Erfolgserlebnis der Honigernte und die Förderung von eigenständigen Handeln, beispielsweise.
Das Wichtigste für Markus Riedmann ist der Effekt der innen Ruhe. „Imkern ist wie autogenes Training“ berichtet er. „Es kommt auf die Ruhe an.“
Während die Bienen wieder ihrer Arbeit nachgehen, erklärt Riedmann die einzelnen Arbeitsschritte. Dafür hat er eigens einen Schaukasten, der in der Holzwerkstatt des BKH gefertigt wurde, aufgestellt. Zwei Königinnen sind unmittelbar vor dem ausschlüpfen.
Im Imkerraum der Station werden die Waben von Herrn Drexel mit einer speziellen Gabel entdeckelt und in die Schleuder gegeben. Diese wird von einem anderen Patienten per Hand betrieben. In einen Eimer fließt der frische und gebrauchsfertige Honig. „Honig kann man immer gebrauchen“ lacht Drexel und schwört auf die entspannende Tätigkeit mit den Bienen. „Es macht mir Spaß, wenn ich Andere von der Imkerei begeistern kann“ sagt Riedmann und überwacht die fachgerechte Abfüllung in die Honiggläser. „Wie man sieht“ ergänzt der Projektleiter „viel Ertrag für wenig Arbeit!“
Frank Zagel